Michael D. Eschner im ABRAHADABRA-Interview

Michael D. Eschner - einer der umstrittensten Vertreter der Magie

In einer Ausgabe, die den Titel "Die Großen Magier - berühmt und berüchtigt" trägt, sollen auch Interwies mit den beiden wohl bekanntesten Vertretern dieser Zunft in Deutschlang nicht fehlen. Eigentlich hatte ich vor, sowohl M.D. Eschner, als auch Frater V.D. zu befragen. Leider klappte es beim letzteren aus terminlichen Gründen nicht für diese Ausgabe, wir hoffen jedoch, es in einer der nächsten nachholen zu können.

Diese Interviews sollen nicht im journalistischen Sinne kritisch sein. Es geht nicht darum, irgendwelche Skandale aufzudecken, oder eine Enthüllungsstory zu verfassen. Das Ziel dieser Gespräche besteht vielmehr darin, dem Leser einen Eindruck der Person auf einer etwas privateren Ebene als der von Veröffntlichungen zu vermitteln. In medias res:

I

Eine Erfahrung von mir war: Hier müsste es weitergehen, sonst hätte die ganze Ausbildung keinen Sinn...

Frage: Wie ist Dein magischer Werdegang verlaufen?

MDE: Da muss ich erstmal sortieren. Zur Magie gekommen bin ich über die Beschäftigung mit Physik und Philosophie, ach so und mit Archäologie. Das waren damals die drei Gebiete. Und dann habe ich ein paar Leute kennengelernt, die was damit zu tun hatten. Da habe ich angefangen, ein bisschen Magie zu lernen. Dann habe ich damals im Knast 2 1/2 Jahre intensivst Zeit gehabt, Konzentration, Meditation und diese ganzen anderen Techniken zu erlernen. Das endete so etwa 1973. Danach habe ich beim Sender gearbeitet und hatte auch sehr viel Zeit für Magie.

Nach dem Knast hatte ich dann allerdings keinen Kontakt mehr zu der Gruppe von vorher. Und dann, tja, nachdem ich meinte, ich habe alles, was ich da gelernt habe, aufgearbeitet, soweit ich eben weitermachen konnte, habe ich angefangen, Ausbildungsgruppen zu machen. Das muss irgendwann 1979 gewesen sein.

Dann habe ich halt mit anderen weitergearbeitet. Zum einen mit dem Versuch, denen das beizubringen, was ich selbst gelernt hatte und zum anderen mit dem Versuch, auf dem Wege selbst noch mehr zu lernen.

Frage: Hast Du bei der Gruppe eine reguläre Ausbildung gemacht, oder...?

MDE: Ja. Eine ganz normale Ausbildung, Gradsystem etc.

Frage: Wie haben sich Deine Ansichten zur Magie und zur magischen Arbeit im Lauf der Zeit verändert, falls sie sich verändert haben?

MDE: Na ja, meine Ausbildung war eigentlich sehr formal. Na ja, wie das eigentlich immer ist, wenn man die Dinge, die man tut, nicht versteht und auch nicht so recht versteht, warum man Ergebnisse hat: Da wurde sehr genau auf Einhaltung von Formalismen geachtet.

Das fand ich damals auch ganz gut, weil es zu Ergebnissen führte. Anschließend war ich dann trotz vieler Theorien im Prinzip noch sehr lange von diesen Formalismen abhängig. Das Problem war nur, dass ich irgendwann bemerkte, dass die nur bis zu einem bestimmten Punkt führen und darüber kommt man dann schlecht hinaus, weil man danach sein Weltbild ändern muss.

Aber da ließ sich sehr schlecht anknüpfen und von daher habe ich ziemlich lange theoretisch gearbeitet, bin von diesen ganzen... Wenn man mal Crowley unterteilt, in den Teil, der von ihm noch im Golden Dawn begründet ist und den Teil, der mehr Liber Al ist und auch seine wissenschaftliche Ausbildung beinhaltet, mehr also in dem Bereich... habe das Ganze noch durch viele Nebensachen erweitert, die ich dann für wichtig hielt, um selbst weiterzukommen und auch, um es andern beizubringen.

Langer Rede kurzer Sinn: Heute bin ich eigentlich von diesen, was damals auch zu dem Formalteil gehörte, ziemlich festen Theorien, abgekommen. Da wurde ein ziemlich festes Weltbild vermittelt. Heute halte ich es eigentlich für einen wesentlichen Teil, genau dieses nicht zu haben, wobei das Problem halt darin besteht: Um so eine Ausbildung zu machen, braucht man eins. Andererseits begrenzt jedes feste Weltbild. Und das andere sind diese formalen Techniken, die damals angewandt wurden. Die halte ich heute auch nicht mehr für optimal.

Wesentlich sind zwei Sachen: Im theoretischen von dem festen Weltbild weg, das da vermittelt wurde, zu einer Art Meta-Standpunkt, was heißt, dass man all diese verschiedenen Theorien so benutzt, wie man sie braucht. Und methodisch im Prinzip das Gleiche: die überlieferten Methoden erweitert und so gut wie alle neuen Methoden, oder auch alte Methoden, die man rausfinden konnte, ausprobiert und angeschaut, wie man das System erweitern kann, also im Prinzip von diesem ganzen Formalismus und der Tradition weg.

Frage: Was war denn der Punkt, wo Du meintest, dass diese ganzen Formalismen "nicht über einen bestimmten Punkt hinausführen"?

MDE: Das war einfach eine Erfahrung von mir, die ich an einem bestimmten Punkt machte, wo ich meinte, hier müsste es weitergehen, sonst hätte die ganze Ausbildung keinen Sinn. Ich meine, so ein paar telekinetische Spielereien, ein bisschen Divinaton und so weiter. Na gut, so was kann alles funktionieren, wie auch einen Geist zu beschwören oder so; aber die Frage ist: Das kann nicht alles sein. Das deutet ja an, dass die Welt doch eine ganze Ecke anders ist, als wir denken. Und wenn man dann mit den Methoden über den Punkt nicht hinauskommt, zwar über den Punkt hinausdenken kann, bloß die Methoden zu Ende sind - an diesem Punkt muss man anfangen, neu zu denken.

II

Frage: Ist das eine Tradition, die Deiner Ansicht nach Crowley schon begründet hat, oder war das erst in dieser Berliner Gruppe so?

MDE: Die haben eigentlich sehr streng nach Crowley-Traditionen gearbeitet. Die Gruppe muss etwa in den 30'er Jahren gegründet, worden sein, als Crowley in Berlin war und die hatten teilweise noch Sachen von ihm persönlich - also Tattwa oder so - Einführungen bei ihm persönlich gemacht und die haben sie ganz formal fortgesetzt. Man kann nun nicht sagen, ob Crowley denen das genau so gesagt hat, denn später bestand da nicht mehr allzuviel Kontakt. Von daher haben sie vermutlich nur das, was sie gelernt hatten, formal fortgesetzt, ohne die Kraft zu haben, es eigenständig weiterzuentwickeln.

Ich meine, das mag möglicherweise an der Persönlichkeit Crowleys gelegen haben, oder ähnliches; jedenfalls weiß ich nicht, ob er es ihnen so formal beigebracht hat. So weit ich jetzt weiß, haben sie schlicht das wiederholt, was sie da gelernt haben und ganz formal auf das Einhalten von dem ganzen Drumherum geachtet, weil sie sagten, nur das könne dazu führen. Eigene Versuche, irgendwas anders zu machen, wurden entweder nicht gemacht, oder hatten zu nichts geführt.

Frage: Crowley selbst hat ja in seinem Buch "Magick Without Tears" (deutsch: "Magie mit/ ohne Tränen") später seinen Standpunkt zu den ausbildungstechnischen Fragen etwas geändert. Z.B. hat er in seinem letzten Brief in diesem Buch noch einmal rekapituliert: mystischer und magischer Pfad, also magische Arbeit und Meditation, und ist dann als Schluss darauf gekommen, dass man im Prinzip auch allein mit magischer Arbeit weiterkommen kann. Ist das in diese Gruppe eingeflossen? Wie stehst Du dazu.

MDE: Na ja, ich bin zwar der Meinung, dass Crowley im Alter einige Sachen, einige Probleme, die er früher nicht so gesehen hat, wie z.B. dasjenige der Sprache, klarer erkannt hat. Aber gerade, was Ausbildung anbelangt, halte ich von ihm nicht sehr viel. Zum einen kenne ich keine andere thelemitische Gruppe, die solche Erfolge hatte, wie die Gruppe damals.

Das führe ich eigentlich genau darauf zurück, dass sie ganz formal das, was sie gelernt haben, weitervermittelten - und damit eben auch Ergebnisse erzielten - während andere, die viel lockerer arbeiteten, die Ergebnisse nicht hatten. Und deswegen bin ich eigentlich ganz froh darüber, dass sie nicht nach diesen (informalen) Methoden gearbeitet haben, sondern es ganz formal fortsetzten.

Ich denke, erst auf diesem Hintergrund kann man überhaupt anfangen, etwas zu ändern und ich glaube, das hat Crowley ein bisschen falsch gesehen. Ich glaube, darauf sind auch viele Mißerfolge in seiner Ausbildungsarbeit zurückzuführen.

Frage: Wie schätzt Du denn auf diesem Hintergrund die momentane magische Szene in Deutschland im Hinblick auf Thelema ein?

MDE: Was heißt im Hinblick auf Thelema? Wer da thelemitisch arbeitet, oder wie die zu Thelema stehen?

Frage: Die thelemitischen Gruppen. Ich weiß nicht, wieviel Informationen Du darüber hast. Arbeiten die in einer ähnlichen Richtung wie Du oder arbeiten die vollkommen anders? Haben sie Erfolg? Gibt's diese Gruppe in Berlin noch? Gib mal ein Meinungsbild über Thelema.

MDE: Na ja, gut. Was ich über Thelema in Deutschland weiß, verleitet mich zu der Ansicht, dass die anderen mehr oder weniger Schwätzergruppen sind. Ich betrachte meine Arbeit hauptsächlich als Forschungsarbeit, aus dem Interesse, selbst - und mit den anderen zusammen, mit denen ich arbeite - weiterzukommen. Da arbeiten wir auch sehr viel und sehr intensiv praktisch und theoretisch.

Das, was ich von anderen Gruppen mitkriege, läuft für mich darauf hinaus, Crowley, der teilweise sowieso schon sehr unverbindlich war, noch unverbindlicher zu machen, die Methoden, ohne mit ihnen überhaupt irgendwelche praktischen Erfahrungen oder Erfolge zu haben, zu verändern und ansonsten relativ inkonsistente, widersprüchliche Theorien zu verkünden und sich in Kleinkriegen zu verstricken.

III

Für mich läuft das, was ich da erlebt habe, unter Zeitstrukturierung. Eine Ausnahme ist eine einzige Gruppe, die ich erlebte und bei der ich auch praktische Ergebnisse gesehen habe. Aber die sind eben sehr starr und sehr hierarchisch organisiert. Ich möchte die Erfolge nicht auf diese Form, diese Organisation, zurückführen, aber auf jeden Fall darauf, dass sie sehr formal arbeiten.

Frage: Was ist mit den anderen magischen Richtungen? Also, es gibt da Heidentum, es gibt die Chaos-Magier. Wie schätzt Du denn da die praktische Relevanz ein?

MDE: Na ja, die Heiden finde ich ganz sympathisch, aber ich sehe keine Verbindung zwischen meinen Zielen und deren Zielen. Soweit ich das sehe, betrachten sie das Ganze mehr als Religion und finden es unheimlich schick, zu Externsteinen oder ähnlichen heidnischen Stätten zu fahren und da mehr oder weniger, Götterverehrungsrituale zu machen. Ansonsten ein bisschen mit Natur etc. Von daher sehe ich keine Verbindung, weil ich meine, die Ziele sind einfach anders und möchte das keineswegs abwertend denen gegenüber verstanden wissen!

Was gibt's sonst noch? Die Chaosmagier. Ich meine da klafft ein ziemlicher Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Die restlichen kleinen Gruppen... da gibt's noch den O.T.O. in Aachen. Der wurde mir zumindest, auch von O.T.O. Mitgliedern, als eine Organisation geschildert, die Rituale macht, Einweihungs- und Initiationsrituale, bei denen wenig rüberkommen soll und die im wesentlichen... Na ja, man hört von vielen Mitgliedern, dass sie den auch als mehr oder weniger so eine Art Gesellschaftstreff betrachten - man hat da halt Leute, mit denen man über das kommunizieren kann, was einen interessiert.

Das heißt, auch von all diesen Gruppen kann ich eigentlich nicht sehen, dass sie praktische magische Arbeit machen. Bei den Chaos-Magiern kann man als praktische magische Arbeit, die wohl teilweise recht erfolgreich sein soll, die Geldmagie betrachten. Aber die läuft, soweit ich informiert bin, nach Methoden ab, wie in jedem anderen Wirtschaftsunternehmen auch, von daher haben wohl auch alle möglichen Kommunikationsversuche bisher noch nicht zu irgendeiner Bereicherung meiner Arbeit geführt.

Frage: Darunter könnte man ja verstehen, dass die magische Szene in Deutschland bis auf Deine Gruppe relativ tot ist? Stimmt das? Wie sieht's im Ausland aus.

MDE: Augenblick. "Die magische Szene in Deutschland bis auf mich und meine Gruppe relativ tot", das stimmt dann, wenn man mein Verständnis von Magie zugrunde legt. Wenn man andere Definitionen zugrunde legt, mag sie durchaus lebendig sein. Bloß von meinem Interesse her, also Methoden entwickeln, weiterentwickeln, mehr erreichen, scheint sie mir ziemlich tot.

Was ich vom Ausland her kenne, sind sehr wenige private Kontakte. Was ich an Zeitschriften, Artikeln und so kenne, erweckt zumindest den Eindruck, als wenn da teilweise sehr viel kreativer und sehr viel intensiver als in Deutschland gearbeitet wird. Ich habe zum Beispiel in Deutschland noch nichts gelesen, was mir irgendwas Neues über das Liber Al gesagt hätte. In einigen englischen Zeitschriften fand ich Analysen, die mir durchaus neu waren.

Mir scheinen auch der Umgang und die Diskussion miteinander sehr viel offener zu sein, so dass auch sehr gegensätzlich orientierte Gruppen in dergleichen Zeitschrift veröffentlichen, miteinander kommunizieren, austauschen, während in Deutschland eher der Kleinkrieg bevorzugt wird.

Frage: War das, als Du angefangen hast ähnlich, oder hat sich das erst in den letzten Jahren ergeben?

MDE: Als ich angefangen habe, gab's in Deutschland noch so gut wie keine magische Szene.

Was gab's da? Da gab's die Fraternitas, das war, so weit ich weiß, die einzige, die relativ bekannt war, von der man was hörte. Die Fraternitas Saturni, na gut, die hatten halt immer ihre Grabenkämpfe. Wenn man das zugrundelegt, kann man sagen, es war schon immer so. Von den Chaos-Magiern hatte damals noch niemand was gehört. Auch Heiden und Isis-Kulte waren Randexistenzen, die kaum irgendwie in Erscheinung traten und mit denen ich auch nicht viel zu tun hatte.

IV

Es gibt eine Prophezeiung, nach der das Land, in dessen Sprache das Liber Al zuerst übersetzt wird, Ausgangspunkt des Neun Äons sein wird. Und soweit ich informiert bin, war das wohl Deutschland.

Seitdem die Magie so Ende der 70'er, Anfang der 80'er Jahre ein bisschen mehr hochkam, lief im Prinzip schon diese Abgrenzungspolitik.

Frage: Es gibt eine Prophezeiung, nach der das Land, in dessen Sprache das Liber Al zuerst übersetzt wird, Ausgangspunkt des Neun Äons sein wird. Und soweit ich informiert bin, war das wohl Deutschland. Wie schätzt Du das ein?

MDE: Kann ich durchaus nachvollziehen. Wenn unsere Arbeit hier erfolgreich sein wird, denke ich, wird das die Folge sein.

Frage: Neues Äon, wie stellst Du Dir den Durchbruch vor?

MDE: Den Durchbruch zum Neuen Äon, also du meinst, falls unsere Gruppe Erfolg hat, wie ich mir dann vorstelle, dass Deutschland Ausgangspunkt wird?

Frage: Ja.

MDE: Ich stelle mir das so vor, dass die praktischen Resultate und die Ausbildungsmethoden, die wir haben, beides zusammen so überzeugend ist, dass es in größerer Breite Fuß fassen wird. Das heißt, dass wir Ausbildungsmethoden haben, mit denen man sagen kann, wenn du das-und-das tust, wirst du in der-und-der Zeit das-und-das können; dass diese Ausbildungsmethoden, und dass das auch vorher gesagt wird, die Persönlichkeit im Sinne des Liber Al verändern.

Das sehe ich als untrennbar an. Nicht, weil man es unbedingt will, sondern weil diese Lernmethoden, angefangen von Meditation, über Rituale, notwendig gewisse Änderungen in der Denkart zur Folge haben. Und wenn man diese Methoden so weit hat, dass sie relativ sicher für größere Personenkreise angewandt werden können, ohne dass die sich für längere Zeit von allem anderen zurückziehen müssen, dann denke ich, werden sich schnell Thelemiten - und darunter verstehe ich dann Leute, die diese Ausbildung haben - verbreiten. Und ich denke, dass auch andere Menschen dann auf die Idee kommen werden: "So möchte ich auch sein", und dass auch von daher ein Verbreitungseffekt einsetzen wird. Der Rest ist in einem sozialen System wie der BRD leicht vorhersehbar.

Frage: Was ist mit den Prophezeiungen über Kriege zur Wende? Größere Kriege, Weltkriege sogar. Spielen die in diese praktischen Erfolge mit hinein? Hat es irgendetwas miteinander zu tun, oder ist es eher als getrennt zu betrachten?

MDE: Na, ich denke eigentlich eher, dass es getrennt ist, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass Menschen mit dieser Ausbildung auch nur im geringsten an Krieg oder Gewalt interessiert sind. Das Ganze läuft eigentlich eher darauf hinaus, intelligentere Problemlösungsmethoden zu finden und das fängt ja mit den eigenen Problemen an; wenn man die anders lösen kann, kann ich mir nicht vorstellen, dass das passiert.

Die Inquisition, die heute unter dem Namen Sektenpfarrer oder ähnliches auftritt und die eben, wenn die Argumente fehlen, mit Verleumdungen und Verunglimpfungen arbeitet.

Die andere Seite ist natürlich, dass sich andere eventuell bedroht fühlen könnten und es dann zu irgendwelchen Auseinandersetzungen kommt. Aber eigentlich denke ich, dass auch da die Komplexität der, sagen wir mal, Thelemiten so groß sein müßte, dass es anders als mit Gewalt handhabbar ist. Von daher gehe ich eigentlich davon aus, dass diese Kriege möglicherweise parallel laufende Ereignisse sind, aber nicht Ereignisse, die von dieser Wende verursacht werden.

Frage: Man hat Dir in der Vergangenheit vorgeworfen, Gewalt zu befürworten, hat Thelema in die Nähe von Terroristen gestellt, vom Boden des Grundgesetzes abgehoben. Wie stehst Du zu den Vorwürfen?

MDE: Na ja, man muss sich ja nur anschauen, aus welcher Ecke sie kommen. Das ist für mich eine Fortsetzung der Glaubenskämpfe des Mittelalters. Die Inquisition, die heute unter dem Namen Sektenpfarrer oder ähnliches auftritt und die eben, wenn die Argumente fehlen, mit Verleumdungen und Verunglimpfungen arbeitet. Und bei der Autorität, die derartige kirchliche Stellen heute immer noch haben, sind sie als Zeugen bei Polizei, Staatsanwaltschaft etc. immer glaubwürdiger, als jemand, der was Neues macht, was sowieso keiner verstehen kann.

V

Frage: Ich habe von anderen Seiten gehört, dass die Verfolgung darauf zurückgeführt wird, dass du in die Öffentlichkeit getreten bist, wobei diese Leute der Ansicht sind, Magie sei schon immer eine Geheimsache gewesen, und wie man an Deinem Beispiel sehen könne, solle sie auch eine Geheimsache bleiben. Was meinst Du dazu?

MDE: Das ist natürlich prinzipiell richtig. Wenn man sich mal vorstellt, dass jemand magische Fähigkeiten hat, ist er eine potentielle Bedrohung für alle anderen, die diese nicht haben, weil er ja eine Macht hat, der sie wenig entgegensetzen können.

Bloß, ich denke, dass diese Überlegung dennoch kurzsichtig ist, wenn wir uns nämlich mal schlicht den Zustand der Welt, angefangen bei der Okologie bis hin zu allen möglichen anderen Sachen, mal angucken, dann müssen wir auch die Frage stellen, ob wir nicht vielleicht eine Mitverantwortung dafür haben, wie es auf diesem Planeten weitergeht.

Und ich denke, dass mit den Komplexitätsbewältigungsmethoden, die zum Thema Magie gehören, dieser Planet, und damit die Menschheit an sich, sehr viel mehr Chancen hat. Und von daher meine ich, muss ich dieses Risiko einfach eingehen, wenn ich meine Selbstbeschreibung ernst nehme.

Mit den Komplexitätsbewältigungsmethoden, die zur Magie gehören, hat dieser Planet und damit die Menschheit bessere Überlebenschancen.

Frage: Selbstbeschreibung als Magier oder als Vertreter des Neuen Aons?

MDE: Das gehört für mich zusammen.

Frage: Was wünscht Du Dir für die Zukunft? Und zwar a) für Dich persönlich, b) für Thelema und c) für die gesamte magische Szene?

MDE: Für mich persönlich wünsche ich mir natürlich, dass ich meine Ziele erreiche. Für Thelema wünsche ich mir, dass wenn ich meine Ziele, das heißt, klare Ergebnisse mit klaren Ausbildungsmethoden, erreicht habe, es sich schnellstmöglich verbreitet. Aber ich denke, das wird automatisch passieren, da mache ich mir wenig Sorgen. Und für die magische Szene wünsche ich mir, dass sie lernt, miteinander zu kommunizieren und nicht nur miteinander zu hacken.

Frage: Okay, danke.

MDE: Gern geschehn.

Die Fragen für ABRAHADABRA stellte Olaf Thorbrügge. Veröffentlicht in "ABRAHADABRA - Magazin für Selbstverwirklichung" Nr.9, September 1990.