- Autor: Knut
- Kommentare: 0
Die internationale Politik findet zur Zeit viel Aufmerksamkeit. Das liegt auch daran, dass um jede Frage, mit der sich Politiker befassen, viel Lärm gemacht wird - aber hier soll es um etwas anderes gehen: Ich versuche, ein Wesensmerkmal des politischen Geschäfts zu zeigen. Dabei beziehe ich mich schwerpunktmäßig auf das Handeln der Regierungen der EU-Staaten. Das heißt, kleinere Wirkbereiche wie Lokalpolitik und Gemeindeverwaltung bleiben unbeachtet. Auch auf kulturell ferne Bereiche, wie die Regierungstätigkeit afrikanischer Länder, will ich nicht eingehen. Der Fokus ist "Politik" in Europa.
Politik in den Staaten der EU verkörpert das Christentum, dem die religiöse und spirituelle Komponente entzogen wurden. Etwas überspitzt gesagt: Die EU ist der christliche Kadaver, dem das Herz herausgerissen wurde. Was kann er noch geben? Was kann die Gesellschaft von diesem Kadaver erwarten? Sünden, Schuld und schlechte Menschen. Der Kadavergeruch dient als Weihrauch, wenn Gläubige gegen Ketzer ziehen.
Alle Spuren des Göttlichen wurden aus dem öffentlichen Raum entfernt. Diese Feststellung ist alles andere als banal, denn im Alten Äon war Gott das Zentrum der Welt - Zentrum der Gesellschaft, der Religion und auch der Regierungstätigkeit. Einem "modernen" Staatsmann darf man hingegen nicht mit Fragen nach dem Göttlichen kommen. Was bleibt dann?
Was übrig bleibt, ist das Leben und Wohlergehen der Masse. Reines körperliches Leben ist nun gemeint, das Leben der Menschen wird aufgefasst als Bios (die Maßnahmen "gegen Corona" illustrieren es: das biologische Überleben ist das einzig Wichtige). Zu dieser Reduktion des Lebens auf Biologie kommt der Utilitarismus als Moral: die Masse hat Recht, denn viele zählen mehr als wenige, sagt der Utilitarist. Auf die lange Begriffsgeschichte des Begriffs "Bíos" gehe ich nicht ein, nur soviel: Die Tradition kennt Bios als Teilaspekt menschlichen Lebens, aber immer war der Mensch auch ein zóon logon echon, ein "Lebewesen mit Sprache" bzw. ein "vernunftbegabtes Wesen". Die antiken Philosophen sahen den Menschen als ein Zwischenwesen an, der Mensch lebt zwischen dem Irdischen und dem Göttlichen.
Nun schließt sich der Kreis: Der Mensch als zóon logon echon ist einerseits biologisches Lebewesen (durch den Körper) und auch göttliches Wesen (durch seinen Geist, seine Vernunftfähigkeit). Bios kennzeichnet den biologischen Aspekt. Wie ich oben schon sagte, wird in der Öffentlichkeit - und die Parteipolitiker dominieren sie derzeit - das Göttliche negiert.
Und nun erinnere dich!
- Der Mensch ist Schöpfer seines Lebens!
- "Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern." Jeder Mensch ist eine eigene Welt - man kann Menschen nicht gegeneinander rechnen.
- Das Bessere hat Vorrang vor dem bloß Guten! Anders wäre persönliche Weiterentwicklung nicht möglich, wäre die Vervollkommnung der Welt undenkbar.
Diese Grundsätze fehlen heute. Für ein besseres Morgen sind sie essentiell. Heute, in der Skandalisierung von Anti-Dies und Anti-Das wird das Bios als das ganze "Leben" behauptet - dabei ist es die niedrigste humanoide Existenzstufe. Es gibt nichts darunter. Bios ist der Aspekt des Lebens, den der Mensch mit den Tieren und Pflanzen teilt.
Die niedrigste Stufe menschlicher Existenz, klingt das nicht fast nach 'Untermensch'? Doch keine Sorge. Das Thema ist allgegenwärtig und es gibt vertrautere Begriffe dafür: Die Bürgerinnen und Bürger eines Landes werden meist als Arbeitnehmer und Verbraucher angesprochen. Das kennt jeder und daher fällt es nicht mehr auf, dass damit Menschen als Abhängige (vom Arbeitgeber) und Ressourcenvernichter (Verbrauch ist ihr Wesensmerkmal) angesprochen werden.
Sie tagaus tagein so anzusprechen, ist ein mieser rhethorischer Trick - denn wer es immer hört, identifiziert sich damit. Wer sich damit identifiziert, fühlt sich schuldig. Wer sich schuldig fühlt, nimmt Böses, was ihm geschieht, als Strafe hin. Also, wer ist übler, jemand, der den Schuldkomplex nährt oder jemand, der die Reduktion des Menschen auf die reine Biologie die "niedrigste Existenzform" nennt?
Arbeitnehmer-innen und Verbraucher-innen, also die Masse der Bevölkerung, sind die vom Staat zu Versorgenden. Für ihre Rechte sorgt angeblich die Regierung. Vom Typus her sind Arbeitnehmer und Verbraucher ein und dasselbe. Als Arbeiter-Konsument (bzw. 'arbeitendes Tier') untersucht hat sie Hannah Arendt. Einzelheiten sind in ihrem Buch "Vita Activa oder Vom tätigen Leben" nachzulesen - für kritische Studien sehr zu empfehlen.
Warum dennoch "Politik"?
Warum also soll jemand nach alldem "Politik" thematisieren? Läuft nicht das eben Gesagte darauf hinaus, um Politik am besten einen Bogen zu machen? Jain! Die EU-Politik muss man mit Vorsicht genießen. Aber die Öffentlichkeit ist auch der Bereich, wo der Mensch als sprechendes Wesen mit anderen Menschen zusammen handelt. Diese Sphäre gilt es zurückzuerobern. Wo Politik kein Parteizirkus ist, ist sie die Sphäre des gemeinsamen Handelns: politisches Handeln ist gemeinsames Handeln freier Menschen. Gemeinsames Handeln heißt, die Vergangenheit bewältigen und sich zu selbst gewählten Zukünften binden.
"Du hast kein Recht, als Deinen Willen zu tun."
(zuletzt bearbeitet am 4. Februar)
Neuen Kommentar schreiben