"Da bleibt einem das Lachen im Hals stecken"

Ich bin beim Lesen an diesem Satz hängen geblieben: "Wie das gesamte Gefolge der Freiheit, vermißt man den Humor im Bannkreis der Tyrannis, doch wird der Witz auch um so schärfer, wenn man dafür den Kopf riskiert." Ernst Jünger in "Der Waldgang".

Dazu eine Beobachtung der letzten Jahre: es gibt keine Komiker mehr, die gutmütige Witze zu erzählen wissen. Die alte Garde konnte Menschen zum Lachen bringen, ohne auf Kosten Dritter zu spielen. Dass es gegen bekannte Persönlichkeiten ging, war die Ausnahme. Wenn ich heute Comedians sehe, dann ist es normal, das Ansehen, den Ruf, ja sogar die Existenzberechtigung von Einzelnen oder Gruppen in Frage zu stellen. Früher lebten Humor und Witz von einem Augenzwinkern auf die Welt. Heinz Ehrhardt, Loriot, ja sogar der derbe Fips Asmussen waren gegen die gallige Bosheit heutiger "Comedians" Feingeister. Hericht und Preil waren unermüdlich im Bereich von Wortwitz und Missverstehen. - Soweit ein paar Beispiele; wenn du willst, findest du alle auf Youtube und kannst selbst vergleichen, was vor dreißig Jahren und heute witzig war bzw. ist.

Dieter Nuhr fand ich vor Jahren geistvoll, dann habe ich länger nichts von ihm gehört. Vor kurzem war ich auf Youtube auf ihn gekommen und schockiert, was er aktuell so vorträgt. Und vor allem auch, wie er es tut. Ob sich da mein Geschmack gewandelt hat oder ob er (auch wie viele andere Comedians) zwischenzeitlich von Ironie auf bösen Zynismus umgeschwenkt ist, wer weiß.

Jedenfalls, mir gab der oben zitierte Satz von Ernst Jünger zu denken. Drei Punkte:

1. Die Tyrannei ist humorlos

Humor fehlt im Bannkreis der Tyrannis. - Ja, das ist heute unzweifelhaft, Humor gibt es nicht im öffentlichen Leben, sei es in Politik oder (anderen Formen von) Unterhaltung. Die Anfänger sind ernsthaft, die Fortgeschrittenen Spieler bierernst und feindlich aus Reflex, die Oberliga hat sich die bornierte Es-gibt-nichts-zu-lachen Überzeugung in hängende Mundwinkel, Sorgenstirnfalten und in den erstarrten Geist betoniert. Sieh dir Kanzlerin Merkel o.ä. an.

Kommen wir zurück zu denen, die im eigentlichen Sinne Witze machen, zu den Comedians.

2. Der Witz wird schärfer, je höher der Einsatz

Der Witz wird schärfer, wo jemand den Kopf dafür riskiert. Das finde ich bemerkenswert: Ist die Comedy-Szene der Gegenwart vielleicht deswegen so gallig bösartig, weil die Comedians mit ihrem Zeug ihren Kopf riskieren? Ja das könnte durchaus zutreffen. Wie ich darauf komme?

Humor lebt von Doppelsinn. Ich möchte es mal so sagen: Humor lebt davon, einen Sachverhalt der Welt zugleich aus zwei Perspektiven zu beleuchten und diese spielerisch (!) entgegen der Gewohnheit zu gewichten. Wenn das Publikum immer empfindlicher auf Abweichungen von dem gewohnten Muster reagiert (oder, was kaum besser ist, mit Unverständnis), dann wird das Feld für Komödianten immer enger. Entweder ist das Publikum empört oder versteht den Witz nicht, was beides problematisch ist. Es reicht ein/e Zuschauer/in, der/ie das Haar in der Suppe findet und hysterisch zu kreischen anfängt, was man heute Shitstorm nennt. In Zeiten von Antidiskriminierung und Antibenachteiligung und Bloß-keine-Grenze-ziehen liegt das nahe. Leicht spielt der Comedian mit seiner sozialen Existenz.

Leicht spielt, wer öffentlich agiert, mit seiner sozialen Existenz.

3. Ein- und Ausschluss aus der Gesellschaft

Ehrhardt oder Heinz Rühmann hatten Witz, egal, was sie anfassten. Sie fanden ihre Themen außerhalb des Politischen. Heute geht es viel viel mehr um Aktualien. Um politische Themen nicht immer, aber meist um die Frage, wer 'gehört zu uns Guten dazu' und wer ist Paria. Als Aussätziger nehme man Nazi, Satanist, Klimaleugner usw., was gerade "aktuell' ist.

Zu fragen wäre noch u.a.,
- Worüber lachst du gerne?
- Wie kommt man wieder zu Verhältnisssen, wo der Narr einen Freibrief hat?
- Vielleicht liegt eine Schwäche darin, sich diese Freiräume von anderen zu erbitten?
- Wie weit hat das was mit zivilcourage zu tun?
- Hat das was mit Freiheit zu tun? Ja. Aber was für einen Freiheitsbegriff braucht man da? (Der, der sich über die bürgerlichen Freiheiten wie Presse- und Redefreiheit bestimmt, reicht nicht).

"Man sollte lieber zwei Muskeln bewegen, um zu lachen, statt dreizehn Muskeln, um die Stirne zu runzeln und die Zähne zu fletschen." - Jacques Tati, französischer Pantomime und Schauspieler

Und noch was anderes ...

Die Angst, sozial erledigt zu werden, also geschnitten und ausgestoßen, sieht nur die eine Seite. Man hört dann in gewissem Sinn auf zu existieren. Aber die Wüste lebt. Jede Gesellschaft hat interstitielle Räume. Dort und von dort aus wird der Mensch ein anderer, wird die Welt eine andere. In "Der Waldgang" schreibt Ernst Jünger die ganze Zeit von einer anderen Konzeption von Freiheit. Versteht denn keiner, dass es um Thelema geht?

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Über den Autor

Interessen: Thelema, Kunst, Gesellschaft. Ich will eine Welt, auf die ich mich freue, wenn ich mir vorstelle, dass ich sie später wieder betrete. Die jetzige taugt mir noch nicht. Der Blog ist ein Teil unserer groß angelegten MultiWelt Verschwörung:
Verführung, Ansteckung mit Phantasie, Austreibung von Stumpfsinn. Mehr darf ich noch nicht sagen :-)